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Sabotage: Polen kündigt harte Maßnahmen gegen Russland an

Polens Außenminister Radoslaw Sikorski macht nach zwei Sabotageakten gegen das polnische Eisenbahnnetz keinen Hehl aus dem Ernst der Lage. "Das war kein Akt der Sabotage wie vorher, sondern Staatsterrorismus, weil sein klares Ziel menschliche Opfer waren," so Sikorski am Mittwoch (19.11.2025) im Parlament in Warschau.
"Ein fremder Staat hat gut vorbereitete Saboteure geschickt, die nur durch ein Wunder ihr Ziel nicht erreicht haben," legte der polnische Chefdiplomat nach und beschuldigte den russischen Militärgeheimdienst GRU, Leute für "schmutzige Arbeit" anzuheuern. Wenig später überreichte die polnische Regierung der russischen Seite eine Note, dass das russische Konsulat in Gdansk (Danzig) und damit die letzte noch verbliebene russische konsularische Stelle in Polen, geschlossen wird.
Das Innenministerium teilte unterdessen mit, dass einige Personen, die in die Sabotage verwickelt sein könnten, festgenommen wurden und vernommen werden.
Tusk: "Schlimmster Vorfall seit Angriff auf die Ukraine"
Bereits am Vortag hatte der polnische Regierungschef Donald Tusk den Vorfall als den "wahrscheinlich schlimmsten Schlag gegen die Sicherheit des Staates seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine" bezeichnet. Er betonte, damit sei "eine Grenze überschritten" worden.
Seit Mitternacht gilt auf allen Bahnstrecken in Polen die zweithöchste Alarmstufe - mit der Bezeichnung Charlie. Die Vorschriften sehen einen 24-Stunden-Schutz wichtiger Bahnobjekte sowie die Bewaffnung des Wachpersonals mit scharfer Munition vor. Die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen sollen bis Ende Februar 2026 gelten.


Am Sonntagmorgen (16.11.2025) hatte ein Lokführer auf der Strecke von Warschau nach Lublin bei der Ortschaft Mika seinen Zug wegen einer starken Beschädigung des Gleises gestoppt und die Leitung der Polnischen Staatsbahn PKP alarmiert. Auf der strategisch wichtigen Eisenbahnstrecke, die von Polens Hauptstadt an die Grenze zur Ukraine führt, wurde kurz darauf bei Pulawy eine weitere beschädigte Stelle entdeckt.
Zwei Ukrainer im Dienste Russlands
Nach 70 Stunden hatten die polnischen Sicherheitskräfte zwei Tatverdächtigen für beide Sabotageakte identifiziert. Bei ihnen handelt es sich um zwei ukrainische Staatsbürger, die seit längerer Zeit mit dem russischen Geheimdienst zusammengearbeitet haben sollen. Ihre Identität ist den ukrainischen und polnischen Behörden bekannt. Der eine wurde im Mai von einem Gericht in Lwiw (Lemberg) wegen Sabotage verurteilt, der andere stammt aus dem Donbass in der Ostukraine. Beide sollen im Herbst gemeinsam aus Belarus nach Polen eingereist sein. Nach dem Anschlag hätten die beiden Tatverdächtigen Polen über den Grenzübergang Terespol in Richtung Belarus verlassen, erklärte Tusk.
Wie die Zeitung Rzeczpospolita am Dienstag (18.11.2025) berichtete, konnten die Ermittler die Fingerabdrücke eines Attentäters sowie sein Handy mit SIM-Karte und Powerbank am Tatort sicherstellen. Mit dem Mobiltelefon sollte die Explosion gefilmt werden. Hilfe bei der Ermittlung hätten auch Geheimdienste befreundeter Staaten geleistet, hieß es.
Aus Ermittlungen geht hervor, dass bei der Ortschaft Mika, rund hundert Kilometer südöstlich von Warschau, drei Sprengsätze gelegt wurden, von denen nur zwei am Samstagabend explodierten. Die Zündung erfolgte mit Hilfe eines 300 Meter langen Kabels. Die Sprengkraft erwies sich als zu schwach, um den betroffenen Güterzug zu zerstören. Der Lokführer bemerkte die Explosion beim Vorbeifahren gar nicht. Mit jedem weiteren Zug verschlechterte sich aber der Zustand dieses Gleisabschnitts, bis dann am Sonntag die Beschädigung zur Gefahr wurde.
Bei der Stadt Pulawy wurde außerdem eine Stahl-Klemme gelegt, die den Zug entgleisen lassen sollte. Sie erwies sich jedoch als wirkungslos. Ein Passagierzug musste an der Stelle bremsen, dabei kam aber niemand zu Schaden.
Polen als Zielscheibe von Attentätern
Seit dem Angriff Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 wurde Polen wiederholt zur Zielscheibe von Sabotage. Polens Regierung stellte sich von Anfang an hinter die Ukraine, schickte Waffen und leistete humanitäre Hilfe. Mehr als eine Million Ukrainer fanden im Nachbarland Zuflucht.
Im Parlament erinnerte Premier Tusk daran, dass bereits im Januar 2024 in Wroclaw (Breslau) eine Farbenfabrik in Brand gesetzt worden war. In Warschau wurde in einem Handelszentrum Feuer gelegt. Insgesamt wurden 55 Personen unter dem Verdacht der Brandstiftung festgenommen, von denen sich 23 in Untersuchungs-Haft befinden. In letzter Zeit wurden zudem acht Personen unter Verdacht der Ausspähung strategischer Objekte festgesetzt.
Hetzkampagne im Netz gegen die Ukraine
Nach der Bekanntgabe der Information über die Sabotage brach in den sozialen Netzwerken eine Hetzkampagne gegen die Ukraine los. Vize-Parlamentschef Piotr Zgorzelski sieht auch diese als ein Werk Russlands. "Das ist ein perfides Spiel russischer Geheimdienste, die diese Kampagnen steuern", sagte Zgorzelski dem Fernsehsender TVN.
Auch Tusk warnte vor russischer Desinformation. Der russischen Führung gehe es nicht nur um die unmittelbaren Auswirkungen solcher Aktionen, sondern auch um die sozialen und politischen Folgen. "Das heißt: Desorganisation, Chaos, Panik, Spekulationen, Unsicherheit."
Die Anwerbung von Ukrainern zur Ausführung von Sabotageakten habe außerdem das Ziel, eine anti-ukrainische Stimmung in Polen zu schüren. Umfragen zeigen, dass die Akzeptanz in Polen für die Unterstützung der Ukraine seit einiger Zeit sinkt.
Sikorski kündigte an, die Auslieferung der Tatverdächtigen aus Belarus zu ersuchen, obwohl die Erfolgschancen gering seien. Gleichzeitig versicherte er, dass Polen nicht plane, die diplomatischen Beziehungen zu Russland abzubrechen. Allerdings sollten sich russische Diplomaten bei Reisen außerhalb des Gebietes um Warschau die Genehmigung polnischer Regierungsstellen einholen. Zudem werde er den Verbündeten Polens raten, den russischen Diplomaten freie Reisen durch den Schengen-Raum zu untersagen.
Der Kreml wies indes alle Anschuldigungen zurück. "Russland wird für alle Erscheinungsformen des hybriden und direkten Krieges verantwortlich gemacht", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow im russischen Staatsfernsehen. Es wäre daher seltsam gewesen, wenn Russland diesmal nicht beschuldigt worden wäre. Bei den Anschuldigungen gegen Russland sei Polen immer vorn mit dabei. "In dieser Hinsicht blüht die Russophobie dort in voller Pracht", so Peskow.
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