Mittwoch, 31. Juli 2024

Meinung
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Irans Demütigung

Die iranische Führung wird kaum umhinkommen, mit einem harten Gegenschlag auf die Tötung des politischen Hamas-Führers Ismail Hanija mitten in der Hauptstadt Teheran zu reagieren. Zu groß ist die Demütigung, die mutmaßlich Israel dem Regime zugefügt hat. Zu offensichtlich ist das Versagen des iranischen Sicherheitsapparats.

Friederike Böge
Politische Korrespondentin für die Türkei, Iran, Afghanistan und Pakistan mit Sitz in Ankara.

Teheran wird eine harsche Vergeltung schon deshalb für nötig halten, um die Abschreckung gegenüber Israel wieder herzustellen. Eine schwache Reaktion könnte aus iranischer Sicht als Einladung an Israel verstanden werden, die Führung selbst ins Visier zu nehmen.

Irans Interesse an einer Begrenzung

Seine früheren Vergeltungsaktionen hat Iran so kalibriert, dass ein Flächenbrand in der Region vermieden werden konnte. Nach der Tötung des mächtigen Quds-Kommandeurs Qassem Soleimani durch einen amerikanischen Luftschlag 2020 in Bagdad hatte Teheran das amerikanische Militär in Irak angegriffen, durch eine Vorwarnung aber dazu beigetragen, dass kein Soldat zu Tode kam. Bei seinem beispiellosen massiven Luftangriff auf Israel im April konnte auch deshalb Schlimmeres verhindert werden, weil Teheran seine Pläne offenlegte.

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Nach wie vor gilt, dass Irans Oberster Führer Ali Khamenei kaum ein Interesse an einer unkontrollierten Eskalation haben kann. Sein Land ist Israel, zumal im Verbund mit den Vereinigten Staaten, militärisch weit unterlegen. Khameneis Priorität ist es, das System der Islamischen Republik und sein politisches Erbe über seinen Tod hinaus zu erhalten. Eine direkte, andauernde militärische Auseinandersetzung mit Israel könnte Regimegegner im Innern zu einem Aufstand ermutigen.

Die Revolutionsgarde steht ebenfalls nackt da, weil sie nicht in der Lage war, einen so wichtigen Verbündeten wie den politischen Hamas-Führer zu schützen. Die radikaleren unter den Kommandeuren dürften nun auf Rache sinnen. Auch Irans Verbündete, die Schiitenmiliz Hizbullah, die Huthis in Jemen, die Hamas und Milizen in Syrien und Irak werden genau beobachten, wie Iran sich verhält.

Khamenei steht vor dem Balanceakt, Stärke zu demonstrieren, ohne die Kontrolle zu verlieren. Dabei dürfte es einmal mehr auf die Vereinigten Staaten ankommen, die schon in der Vergangenheit hinter den Kulissen Iran im Zaum gehalten haben.

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